Zum Tod von Volker Lenhart

Am 14. Januar 2023 verstarb nach einem erfüllten Wissenschaftlerleben kurz nach Vollendung seines 83. Lebensjahrs mit Prof. em. Dr. Volker Lenhart ein national wie international wertgeschätzter und hoch angesehener kritischer Erziehungswissenschaftler und akademischer Lehrer von großer Ausstrahlung und hohem Verdienst für die nationale wie internationale Erziehungswissenschaft.

Volker LenhartSeit 1973 hatte Volker Lenhart die Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik an der Universität Heidelberg inne. Diese Denomination wurde 1983 auf Schulpädagogik, Historische und Vergleichende Erziehungswissenschaft erweitert. Volker Lenhart hat in allen diesen Gebieten ein imposantes Werk hinterlassen - angefangen mit der Heidelberger Universitätspädagogik im 19. Jahrhundert und der Geschichte der Lehrerbewegung in Baden über die Evolution erzieherischen Handelns und ‚Bildung für alle‘ bis zur Protestantischen Pädagogik und dem ‚Geist‘ des Kapitalismus sowie der Pädagogik der Menschenrechte und den empirischen Studien zur Feldevaluation friedensbauender Bildungsprojekte. Seine Leidenschaft für die historische und vergleichende Erziehungswissenschaft zeigte sich zudem im Herzensprojekt einer kommentierten Ausgabe der Ersten Schrift zur Vergleichenden Erziehungswissenschaft/The First Treatise in Comparative Education. Fridericus Augustus Hechtius: De re scholastica Anglica cum Germanica comparata (1795/1798). Mit seiner Emeritierung 2008 wurde diese umfassende allgemeinpädagogische Ausrichtung der Professur aufgegeben. Heute würde sich gewisslich kaum noch jemand finden, der dieses umfassende Feld der Erziehungswissenschaft wie Volker Lenhart sowohl authentisch wie überzeugend vertreten könnte. Neben dieser enormen wissenschaftlichen Fruchtbarkeit hat Volker Lenhart von 1983 bis 2008 die Forschungsstelle für Vergleichende Erziehungswissenschaft an der Universität Heidelberg geleitet, die 1966 von Hermann Röhrs gegründet wurde, und mit dem er das Maßstäbe setzende und seine schulpädagogischen, historischen und erziehungswissenschaftlich vergleichenden Interessen bündelnde Handbuch Die Reformpädagogik auf den Kontinenten herausgab.

Dem aber nicht genug war Volker Lenhart auch in der Selbstverwaltung der Universität als mehrfach gewähltes Mitglied des Senats und Dekan der Fakultät für Empirische Verhaltens- und Kulturwissenschaften tätig und dann fast noch nebenbei einer der Gründungsdekane des erziehungswissenschaftlichen Instituts an der Berliner Humboldt Universität nach der Neuvereinigung der beiden Deutschland. Zur Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1994 zum Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin ernannt.

Sein verbindender und moderierender Charakter zeigte sich nicht zuletzt, als Volker Lenhart vom März 1988 bis März 1990 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft war und dabei die Vernetzung der deutschen Fachgesellschaft mit weiteren europäischen erziehungswissenschaftlichen Fachgesellschaften initiierte, die 1994 in die Gründung der „European Educational Research Association“ (EERA) und weiterführend auch zur 2009 gegründeten „World Education Research Association“ (WERA) mündete. Volker Lenharts Name ist daher unlöslich verknüpft mit national wie international ausstrahlender Forschung zur Bildung in den Ländern des Globalen Südens und zur Menschenrechtspädagogik weltweit, die er ausrichtete am Gedanken auf Verständigung und Frieden, um den Herausforderungen, die aus dem konfliktreichen Neben-, Gegen- und Miteinander diverser nationaler, ethnischer und kultureller Konstellationen entspringen, auch pädagogisch begegnen zu können. Auch deshalb blieb er dem reformpädagogischen Weltbund für die Erneuerung der Erziehung zeitlebens innig verbunden.

Ein unermüdliches Forscherleben ist nun zu Ende gegangen, aber das sind lediglich die akademischen Fakten. Wohl viel wichtiger ist, dass das Institut für Bildungswissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg einen unvergleichlich unterstützenden und wahrhaftigen Gesprächspartner verloren hat, der stets ein offenes Ohr für alle hatte und durch Weltoffenheit, Zugewandtheit, Anteilnahme, Herzenswärme, Wertschätzung und Menschenliebe zu überzeugen wusste. In der Trauer um Volker Lenhart sind wir mit den Angehörigen vereint, aber wir sind uns gewiss, im Eingedenken an ihn als Forscher, Lehrer und Freund lebt er in und mit uns weiter.
Vielen Dank und Adieu, lieber Volker.

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Letzte Änderung: 12.03.2023
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